1 980 ostbelgische Kriegsschicksale

Unmittelbar nach dem Krieg ermittelte der Prokurator des Königs (Dienststelle Verviers) zum Schicksal von mehr als 6 000 Menschen aus dem Bezirk Verviers während des Zweiten Weltkrieges. Es ging darum, den lückenhaften Zivilstand dieser Personen zu vervollständigen: Geburtsdatum, Geburtsort, Sterbeort, Sterbedatum, Heirat usw. Das Inventar dieses Bestands „Archives du tribunal de première instance de Verviers, Etat Civil“ (Archiv des Tribunals erster Instanz von Verviers, Zivilstand) ist im Staatsarchiv in Lüttich unter der Signatur 8 206 verwahrt, wurde bereits digitalisiert und kann bisher vor Ort in Lüttich (und demnächst auch in Eupen) eingesehen werden.

Unter diesen ca. 6 000 Akten befinden sich 1980 Akten über Menschen, die in den Ostkantonen wohnhaft waren und deren Sterbeort während des Zweiten Weltkriegs identifiziert werden konnte. Dank der Arbeit des Staatsarchivs in Eupen konnten anhand anderer Quellenbestände teilweise auch die Todesursache sowie weitere Angaben zu den jeweiligen Personen ergänzt bzw. vervollständigt werden.

Basierend auf dieser langjährigen Recherche- und Sammelarbeit beinhaltet die hier vorgestellte Datenbank folgende (personenbezogene) Informationen, die auf der Karte abrufbar sind. Die jeweiligen Angaben sind von Dossier zu Dossier unterschiedlich vollständig und wurden vermerkt soweit sie den Quellen zu entnehmen waren, also soweit bekannt.

  • Totenzettel: Ein Totenzettel wird auf der Karte sichtbar, wenn ein solche in der Datenbank „Totenzettel. Sammlungen“ der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde vorhanden ist. Diese enthalten Informationen zu dem Verstorbenen sowie in manchen Fällen auch ein Porträt der Person.
  • Signatur: Hier wird die Signatur der Akte im Bestand „Archives du tribunal de première instance de Verviers (Etat Civil)“ des Staatsarchivs Lüttich wiedergegeben.
  • Name: Name des Verstorbenen
  • Vorname: Vorname des Verstorbenen
  • Geburtsort: Stadt
  • Alter
  • Geburtsjahr
  • Ggf. Geburtsdatum: (TT.MM.JJJJ)
  • Ggf. Wohnort: Stadt und ggf. auch Straße und Hausnummer
  • Ggf. Status zum Zeitpunkt des Todes: Die Menschen wurden in zwei groben Kategorien sortiert: Zivilisten und Soldaten. 
  • Details zum Status: Hier wurde hier angegeben, ob die Person Kriegsgefangener, politischer Gefangener, Kriegsopfer, Widerstandskämpfer oder auch Zwangsarbeiter war.
  • Militärischer Werdegang und Einstellung zum Dienst (bei Soldaten): Wenn dies bekannt war, konnte der militärischen Werdegang hinzugefügt werden, wie beispielsweise, dass ein Soldat erst in der belgischen Armee 1940 gedient hat und dann für die Wehrmacht rekrutiert wurde. Dazu konnte in manchen Fällen auch die Einstellung der Betroffenen zum Dienst wiedergegeben werden: Zwangsrekrutierte, Freiwillige, Deserteure.
  • Truppenteil
  • Dienstgrad
  • Todesjahr
  • Todesdatum (TT.MM.JJJJ)
  • Details zum Sterbedatum: In manchen Fällen bestehen weiterhin Zweifel über den Zeitpunkt des Todes, was dann vermerkt ist. In anderen Fällen ist auch die genaue Uhrzeit des Todeszeitpunkts angegeben.
  • Todesursache: Bombardierungen, Kampf, Unfall, Internierung, Krankheit, Hinrichtung. In manchen Fällen ist der Grund unbekannt oder die Person ist ohne weitere Angaben verschwunden.
  • Sterbeort: Es werden hier Städte angegeben, die in den Akten erwähnt werden. Falls die Ortsangaben ungenauer waren, wurde der nächstbekannten Ort angegeben, der in den Quellen zitiert wurde. Beispielsweise wurde die Stadt Woronesch als Punkt ausgewählt, wenn in der Quelle „10 km südlich von Woronesch“ stand.
  • Details zum Tod: Genauere Orte wie ein bestimmtes Krankenhaus, Lazarett oder Lager werden hier genannt, sowie genauere Todesumstände wie detaillierte Todesursachen und -bedingungen.
  • Einordung im historischen Kontext: Es geht hier darum, das Schicksal der Person in einem breiteren historischen Kontext einzuordnen. Es werden hier z.B. militärische Operationen, wichtige historische Ereignisse oder auch besonders wichtige Orte für den Kriegsgeschehen angegeben.
  • Bestattungsort: Es werden hier, falls vorhanden, genaue Militärfriedhöfe, Kriegsfriedhöfe, Gefangenenfriedhöfe genannt oder auch ungenaue Angaben, die in den Akten zu finden waren und weitere Forschung ermöglichen können.
  • Beruf
  • Familienstand: ledig, verheiratet verwitwet, verlobt oder geschieden
  • Ehepartner
  • Eltern: Sohn von (S. von) … oder Tochter von (T. von) …
  • NS-Mitgliedschaft: Falls bekannt ist, werden hier Mitgliedschaften in nationalsozialistischen Organisationen angegeben und ggf. der Rang und die Funktion in derselben.
  • Mitgliedschaft: Falls bekannt werden hier Vereinsmitgliedschaften (außer NS-Vereine und Organisationen) angegeben.
  • Feldpostnummer: Die Feldpostnummer mancher Soldaten wird hier, wenn bekannt, angegeben.
  • Auszeichnung: Hier werden Auszeichnungen aufgelistet, die eine Person während des Kriegs erhielt.
  • Bemerkungen: Zusätzliche Informationen, die für weitere Recherchen von Interesse sein könnten, sind hier vermerkt.
  • Weitere Quellen: Hier finden Sie weitere Quellen, die für die Erstellung der Datenbank benutzt wurden und die für weitere Forschung zu den Personen von Interesse sein könnten.
  • Was uns diese Karte verrät…

Die hier vorgestellte interaktive Karte versteht sich als Werkzeug für jeden, der an der Geschichte Ostbelgiens interessiert ist, sei es als Ahnenforscher, als Historiker, um bestimmte Themengebiete der Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu vertiefen oder auch für historisch Interessierte, um die Vielfalt der Schicksale der Menschen aus Ostbelgien zu entdecken.

Die Darstellung der personenbezogenen Datenbank als Karte ermöglicht es, auf einen Blick die Vielfalt der Kriegsschicksale aus den Ostkantonen zu visualisieren. Ebenso fallen die großen Menschenbewegungen im Zweiten Weltkrieg ins Auge: Zum einen und vor allem als Soldat waren die Entfernungen zum Heimatsort eine Folge der Rekrutierung und Eingliederung der Männer in die deutsche Wehrmacht und deren Einsatz an der Ostfront, aber auch an anderen Fronten, wie etwa in Finnland, Italien, Griechenland oder auch in Nordafrika. In anderen Fällen hingegen lagen die Gründe für die Entfernung auch in Deportation und Inhaftierung von Frauen und Männern aus den belgischen Ostkantonen, die aus unterschiedlichen Gründen (Krankheit, Hinrichtung, Ermordung, Unfall) in deutschen oder in alliierten Lagern zum Tod geführt haben.

Jeder Punkt verbirgt auf dieser Karte eine individuelle Geschichte, worüber einiges schon bekannt ist, was auf dieser Karte sichtbar gemacht wird. Im Rahmen der Ausstellung „Gerettete Erinnerung“ des Zentrums für Ostbelgische Geschichte wurden vierzehn Schicksale detailliert rekonstruiert, darunter auch vier, die auf dieser Karte wiederzufinden sind. Es handelt sich um 4 Menschen, die gemeinsam haben, als Opfer der Nationalsozialisten während des Krieges ihr Leben gelassen zu haben:

Beim Lesen dieser vier individuellen Wege wird die komplizierte und vielschichtige Geschichte der Einwohner der ostbelgischen Kantone während des Zweiten Weltkrieges sichtbar. Noch vielschichtiger und vielfältiger sind aber die Schicksale der auf dieser Karte gekennzeichneten Einwohner der Ostkantonen: Es befinden sich unter ihnen sowohl zwangsrekrutierte Soldaten als auch Kriegsfreiwillige, Mitglieder der Waffen-SS und auch der SS, aber auch politische Gefangene, Widerstandskämpfer und Menschen, die von Widerstandskämpfern getötet wurden.

Neben individuellen Geschichten zeigt diese Karte aber auch durch genauere Betrachtung kollektive Muster. Sie hebt durch die geographische Darstellung Orte hervor, wo viele Menschen aus den Ostkantonen ein gemeinsames Schicksal erlebten. Kollektive Schicksale von Zivilisten sind hier zu sehen, wie zum Beispiel die Bombardierungen von Malmedy und Sankt Vith während der Ardennenoffensive 1944. Die Karte, auch wenn sie nicht alle Opfer dieser Bombardierungen darstellt, zeigt, dass diese zwei Städte besonders stark von Bombardierungen betroffen waren und dass ihre Einwohner viele Verluste (jung und alt, Zivilist und Soldat, Frau und Mann) zu beklagen hatte. Diese Visualisierung von gemeinsamen Kriegserfahrungen war bisher allein mit der Datenbank einzelner personenbezogenen Daten kaum möglich.

Gemeinsame Schicksale erscheinen auch bei den Soldaten aus den Ostkantonen. Betrachtet man die Internierung von Soldaten, stellt man fest, dass sich z.B. in Tambow (damalige Sowjetunion) 26 Soldaten aus den Ostkantonen befanden und dort zwischen 1943 und 1945 ihr Leben verloren. Warum wurden dort so viele Ostbelgier inhaftiert? Dieses Kriegsgefangenenlager (Lager 188) war eines der sowjetischen Lager, in dem vor allem Soldaten inhaftiert wurden, die in die Wehrmacht zwangsrekrutiert wurden. Ca. 15 000 Elsässer und Lothringer („Malgrés-nous“) wurden dort inhaftiert; einige wurden freigelassen, um sich den alliierten Truppen wieder anzuschließen, andere blieben aber monatelang in Gefangenschaft und starben vor allem an Krankheiten und als Folge der schweren Haftbedingungen. Dass unter den Inhaftierten Soldaten aus den Ostkantonen waren, ist bisher kaum erforscht worden: Wie viele waren es? Welchen Status hatten sie? Hatten sie auch die Möglichkeit, sich den alliierten Truppen anzuschließen?

Diese Karte wirft eine Menge Fragen auf, teils mehr, als sie darauf Antworten zu geben vermag. Diese können Historiker, Ahnenforscher und historisch interessierte Menschen liefern, wenn sie sich auf die Spuren der diversen Schicksale begeben. Somit steht mit dieser Karte auch ein Werkzeug zur Verfügung, um mit weiterer Forschung anzuregen. Es ist zu wünschen, dass die Anzahl der aufgeklärten ostbelgischen Kriegsschicksale im Laufe der Jahre noch größer wird und zu den einzelnen mehr Details bekannt werden. Dazu können Sie auch beitragen, wenn sie Forschung betreiben und ihren Ergebnissen mit dem ZOG – und damit mit der Öffentlichkeit – teilen.

Willkommen auf unserer interaktiven Karte!

Die Karte „1 980 ostbelgische Kriegsschicksale“ ermöglicht es Ihnen, die Vielfalt der ostbelgischen Schicksale zu erforschen und vielleicht auch, das Schicksal ihrer Vorfahren im Zweiten Weltkrieg zu entdecken.

Unmittelbar nach dem Krieg ermittelte der Prokurator des Königs (Dienststelle Verviers) zu den Schicksalen von mehr als 6 000 Menschen aus dem Bezirk Verviers während des Zweiten Weltkrieges, um den lückenhaften Zivilstand dieser Personen zu vervollständigen. Unter diesen ca. 6 000 Akten befinden sich 1 980 Akten über Menschen, die in den Ostkantonen wohnhaft waren und deren Sterbeort während des Zweiten Weltkriegs identifiziert werden konnte.